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Günther Deneke
Georg Broel
1912

Georg Broel wurde den Lesern dieser Blätter vom damaligen Herrn Herausgeber zuerst im Jahrgang 21, Heft 1 mit den Worten vorgestellt:
»Auch die Mehrzahl der Arbeiten unseres Mitgliedes Georg Broel - Honnef strebt nach markenartigem Effekt ... In seinen Radierungen ist freilich, wie das der Natur der Technik durchaus entspricht, eine bildhafte Wirkung erstrebt, so in der schönen Landschaft des Exlibris
Haus Mirabeau. Dagegen nähern sich die beiden farbigen Holzschnitte Idas Buch und Conny Meissen, wohl die besten Werke in in Broels Exlibriswerk, wieder dem Markenstil.«

Seither hat sich das Verhältnis umgekehrt, und Broel hat fast nur noch bildhafte, die reine Landschaft als Stimmungsträger benutzende Blätter geschaffen. Und da sein Werk nun schon auf die stattliche Zahl von dreißig Eignerzeichen angewachsen ist, wozu noch allerlei schöne Gebrauchsgraphik kommt, halte ich es für an die Zeit, ihn und seine Arbeit einmal ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen. Vertragen können sie es alle beide recht gut und verdienen tun sie es auch

Den Künstler sollte man stets über den Menschen stellen, auch wenn dieser selber auch noch so liebenswürdig ist; es mögen daher die paar nötigen Lebensdaten so mit eingestreut werden. Im Vordergrund soll des Künstlers Werdegang stehen. Der aber gleicht einer wunderschönen Wanderschaft durch altvertrautes, deutsches Land. Bald geht's durch die frohe sonnige Hügelwelt am Rhein mit den weiten Blicken über ihre tausend zierlichen Krausheiten an Busch- und Baumwerk; bald geht's in tiefgrüne, weltverlassene Waldeinsamkeit, wo eines längst verschollenen Liebespaares zärtlich eingeritztes Monogramm eine nun ungenützt verwitternde Steinbank ziert.

Oder auf einer Anhöhe sitzen wir mit nieder und schauen unter weithin schattenden Baumriesen hervor auf Dorf und Aue tief unten zu unseren Füßen. Wohin auch immer Broel uns mitnimmt, stets liegt ein Sommersonntagsfrieden über den Landschaften, die er uns zeigt, stets stimmen die kleinen Blättchen uns ruhig, heiter und aufnahmefähig für freudevolle Schönheit. Und das will der Künstler: nicht bloß eigentumsichernde Marken zeichnen, wie er's anfangs mehr liebte, sonderne seine eigene Welt uns vermitteln; denn, wie er selber mir schrieb, sein Herz gehört der Landschaft.
»Ich kann mehr damit ausdrücken und habe selten Bedürfnis nach Figur .... Wenn ich in meiner Sammlung gute figürliche Exlibris anschaue, so ist man immer so sehr an das Dargestellt gebunden, während z.B. ein Blick in eine weite Ferne oder sonnige Landschaft im Beschauer ein ähnliches Erlebnis wachruft und Empfindung und Phantasie ein weiter Spielraum bleibt und den Besitzer eines Buches beim Aufschlagen desselben in eine gehobene Stimmung versetzt.«

Und wenn man nun seine radierten Exlibris daraufhin durchsieht - von den rein gebrauchsgraphischen, nur gezeichneten, rede ich hier nicht -, so muß man ihm rückhaltlos rechtgben. Gleich das erste, das er überhaupt schuf,
Haus Mirabeau (1908), das ist schon so eines, in dem er uns mit auf die Berghalde nimmt und unsere Augen - auch »die Augen der Erinnerung«, wie Heinrich Seidel das nannte, von da hinab in lichte Fernen leitet. So haben wir alle schon gestanden, hinter uns der schweigende schwarze Wald, vor uns die weite, weite Welt und in uns alle Sehnsucht nach der lockenden Ferne, dem glückhaften Anderswo.

Auch die nächsten Blätter von 1910 und 1911,
Käthes Buch, Eugen und Irma Strauss, Georg und Elfriede Lemke, Hans Broel, Kurt von der Mühlen und das liebe, nein liebevolle Blatt Georg und Alexandra Broel (Abbild.) variieren denselben Gedanken.

Das letzte Blatt ist von ihnen allen das Beste: eine breitwipflige Linde, »oben breit und unten schmal«, Malerzeug lehnt daran, Palette und Keilrahmen, eine Leiter daneben, und oben, wo das Geäst am dichtesten ist, sitzen zwei und sehen Arm in Arm hernieder in die Landschaft - die Zukunft, die vor ihnen liegt. Auch wenn nicht im Lindenbaum das Herz mit dem verschlungenen G. und A. säße, auch wenn nicht die kleine Remarque eine herzförmige Palette mit hochzeitlichen Rosenketten wäre - ich glaube, man erkennte es auch so, daß dies Blatt von seinem eigenen jungen Eheglück erzählt.

Die neuste Arbeit
R.N. für unser Vereinsmitglied Rudolf Nirrnheim - Dresden nimmt denselben Gedanken auf, zeigt auch die öfter wiederkehrende Steinbank, die gleichsam einlädt zum Stillsitzen und schweigenden Schauen (Abb.).

Einmal hat Broel solch eine schwere, zeitenüberdauernde Ruhebank zum Mittelpunkt des Ganzen gemacht, auf dem wundervollen, von Märchenstimmung erfüllten Blatt für
Therese Broel (Beilage). Nachtschwarze Tannen, eng und geschlossen, wie sie nur im hohen Bergwald wachsen, umdrängen die kleine Lichtung, auf der sonnenbeschienen und einladend die breite Steinbank steht. Ein blühender Rosenstrauch neigt sich darüber, des Künstlers Monogramm, von einem Herz umrahmt, täuscht fremde, vergangene Liebessehnsucht vor - das ganze atmet eine so zarte, feine Schönheit, daß man eigentlich gar nicht so gern mit plumpen Worten daran rührt. - Alle diese Blätter sind ganz reine Landschaften, kaum ein kleines Ornament scheidet die Inschriften von den Bildern.

Ein wenig mehr Rahmen weist da Zeichen für
Ludwig Königsberger (1912) auf: oben der Spruch »Wissen ist macht«, dessen Worte eine ernsthafte Eule mit aufgeschlagenem Buche trennt, unten »Exlibris L. Königsberger”, links und rechts davon je ein wappenartig stilisierter Merkurstab. Eine feingezahnte Leiste umzieht das Ganze.

Weit mehr Schmuckformen trägt das zweifarbige Blatt für
Alexandra Broel (1912). In eirunder Mitte ein Hügel mit Birken, deren hängende Zierlichkeit Broel besonders liebt, ein Paar daneben, das in die Ferne schaut. Über dem Rund ein Spruchband »Alles um Liebe«; Rosen und Ranken füllen die rechteckige Platte, unten in kräftigen Lettern der Name, eingefaßt von zwei Lukasschilden (des Künstlers Gattin ist Malerin).
Das Blatt leitet durch seine Ornamentik und seinen Markencharakter über zu der anderen Grupe Broelscher Exlibris, von denen hierauch einige wiedergegeben sind. Die älteren,
Alexandra Korsakoff, Reginas Buch, A.Korsakoff, Anna Heinz, Heinz Sinzig, die 1909 und 1910 entstanden, sind einfacher, signethafter, die drei abgebildeten, Regina Broel, Reiner Broel und Max Hattingen, durchgearbeiteter und Gebrauchs-, nicht Luxus-Exlibris, sehr gut.

Zwischen beiden Grupen stehen die in noch anderer, zu strengerer Flächen-Stilisierung zwingender Technik geschaffenen: Idas Buch (ein gekrönter Rabe, der auf dornenumrankten Büchern hockt, ein blasser Mond und allerlei Nachtvögel um ihn - ach ja, der Künstler hat schon recht: ehe die Weisheit gekrönt wird und über den Büchern thronen darf, hat sie manche Dornen zu erdulden, und heller wie mondscheinhell wird's auch nur selten um uns Bücherraben!)

Licht und schön sind auch die Linoleumschnitte für
Conny Meissen (wiederum der Birkenhügel mit einer Ruhebank) und die beiden fast gleichen für D.Fels. - Das ist so ziemlich alles, was mir vorlag an Eignerzeichen. Eins, das noch keinen Besitzer hat, sozusagen auf Spekulation gedichtet ist, mag ich nicht ungeschildert lassen: knorrig verwittertes Wurzelwerk umrahmt einen dunklen, rätselvollen Waldsee, hoch ragen die schwarzen Tannen ringsum empor, höher darüber, ganz fern - unnahbar Euren Schritten - ragt drüben Monsalvat, die Burg. Ich wollte, es fände sich bald einer, der die Platte kaufte, damit man das Blatt bald im Tausch "nur gegen Bestes" erwerben könnte!

Was Broel sonst noch schuf? O, eine Menge, aber da das meist illustrativ ist, so darf ich ihm die Pforten dieser Zeitschrift nicht öffnen. Da sind große Naturstudien, meist vor der Landschaft selber radiert, zu den kleinen Blättern, da sind farbenfrohe, unendlich fleißig durchgearbeitet Aquarelle, da sind Landschaften als Buch- und Kalenderschmuck, Weinetiketten, Briefköpfe und Speisekarten, aber es mag mit den Bucheignerzeichen für dies erste Mal genug sein.

Ja so, nun habe ich doch über der Kunst den Künstler, über dem Werk, den Werkmeister vergessen. Aber das ist kurz nachgeholt: am 8. Mai 1884 kam Georg Broel zu Honnef am Rhein auf diese Welt, die er dank seiner sonnigen Heimat mit so freundlichen Augen ansieht. Von seiner Schulzeit hat er mir nicht viel erzählt, mehr von den Ferien bei den Großeltern, zwischen Ställen, Getreidespeichern, dunkelwinkligen Schuppen, freudespendenden Traubenkeltern und Obstgärten. Von einer märchenerzählenden Großmutter, von Spaziergängen durch blühende Wiesen, an klaren Bächen, in den schweigenden Wäldern um Heisterbach reden seine liebsten Kinheitserinnerungen. Dann hat er brav versucht, gutbürgerlich nach seiner Väter Weise Holz, Kohlen und Eisen zu verkaufen, bis ihn die von Kindheit an lockende Kunst nicht wieder freigab.
In München hat er das Zeichnen, im bayrischen Wald hat er's Malen, bei Reifferscheid die Graphik gelernt. Aber sein Bestes, das Schöne zu sehen und zu erkennen, hat er wohl ganz von selber gelernt!

Im lasse zum Schluß eine chronologisch geordnete Aufstellung sämtlicher bisher ausgeführten Exlibris Broels folgen:
1907: C. Lauenstein, Klischee (Klaus Witte Nr.2); Hans Broel, Radierung (Klaus Witte Nr.1); Tenni Stein, Klischee (Klaus Witte Nr.3).
1908: Thea Broel, Klischee (Klaus Witte Nr.4).
1909: Reginas Buch, Klischee (Klaus Witte Nr.5); Alexandra Korsakoff, Klischee (Klaus Witte Nr.6); Haus Mirabeau, Radierung (Klaus Witte Nr.7).
1910: Käthes Buch, Radierung (Klaus Witte Nr.8); Eugen und Irma Strauss, Radierung (Klaus Witte Nr.9); Georg Broel, Radierung (verworfen, wenige Exemplare, (Klaus Witte Nr.10); A. Korsakoff, Klischee (Klaus Witte Nr.13); Paul Broel, Klischee (Klaus Witte Nr.12); Anna Heinz, Klischee (Klaus Witte Nr.11); Idas Buch, zweifarbige Lithographie (Klaus Witte Nr.14); Conny Meissen, vierfarbiger Holzschnitt (Klaus Witte Nr.15); Heinz Sinzig, Klischee (Klaus Witte Nr.16).
1911: Hans Broel, Radierung (Klaus Witte Nr.17); Kurt von der Mühlen, Radierung (Klaus Witte Nr.18); G. und A. Broel, Radierung (Klaus Witte Nr.19); D. Fels, dreifarbiger Linoleumschnitt (Klaus Witte Nr.20); D. Fels, fünffarbiger Linoleumschnitt (Klaus Witte Nr.21); Georg und Alexandra Broel, Radierung (Klaus Witte Nr.22); Therese Broel, Radierung (Klaus Witte Nr.23); Georg und Elfriede Lemke, Radierung (Klaus Witte Nr.24).
1912: Reiner Broel, Klischee (Klaus Witte Nr.25); Regina Broel, Klischee (Klaus Witte Nr.26); Max Hattingen, Klischee (Klaus Witte Nr.27); Ludwig Königsberger, Radierung (Klaus Witte Nr.28); Alexandra Broel, zweifarbige Radierung (Klaus Witte Nr.29); R.N. (Rudolf Nirrnheim), Radierung (Klaus Witte Nr.30).



Günther Deneke
Georg Broel
in Exlibris - Buchkunst und angewandte Graphik,
Jahrgang 22, Heft 3/4, Magdeburg 1912
S. 97-101

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